
125 Jahre EhrenamtEine Frage des Engagements
125 Jahre Handwerk ohne Ehrenamt - undenkbar. Das Ehrenamt ist in der Gesellschaft nicht so sichtbar, wie es sein sollte und erweist ihr doch einen ausgesprochen großen Dienst.
Im Kammerbezirk Hannover sind rund 2.000 Handwerkerinnen und Handwerker ehrenamtlich tätig: In der Vollversammlung, im Vorstand, in den Prüfungsausschüssen oder unterwegs als Ausbildungsbotschafter. In 125 Jahren Handwerk und auch dem Ehrenamt hat sich viel verändert.
Thomas Hinze und Oliver Knake sind Ehrenamtsträger im Handwerk und sich einig: Das Ehrenamt verdient mehr gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit. Welche Bedeutung das Ehrenamt für das Handwerk hat und was sie sich für das Ehrenamt der Zukunft wünschen, lesen Sie hier.
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Kontakt Ehrenamt
Studienorganisatorin "Triale Studiengänge"
Tel. +49 511 34859 359
Thomas Hinze ist seit 26 Jahren ehrenamtlich in der Vollversammlung im Handwerk vertreten. Zudem ist der Malermeister Vorstandsmitglied der Handwerkskammer Hannover.
Oliver Knake ist seit 20 Jahren ehrenamtlich in der Vollversammlung im Handwerk vertreten. Außerdem ist er Vorstandsmitglied der Handwerkskammer Hannover und im Metallbauhandwerk tätig.
Die Handwerkskammer Hannover als selbstverwaltende Organisation des Handwerks wird dieses Jahr 125 Jahre alt. Auch das Ehrenamt im Handwerk gibt es bereits so lange und hat eine hervorgehobene Aufgabe im Handwerk. Wie denken Sie darüber?
Thomas Hinze: Wenn man im Ehrenamt tätig ist, kommt es nicht nur dem Handwerk, sondern speziell auch der eigenen Tätigkeit zugute. Daher ist das Ehrenamt für mich mit einem gewissen Selbstverständnis verbunden. Zudem hat es einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Das Einbringen in die Demokratie muss aus der Basis heraus passieren, ohne das Engagement seiner Mitglieder funktioniert es nicht. Außerdem kann ich nur kritisieren, was in der Gesellschaft alles nicht richtig läuft, wenn ich mich selbst auch aktiv einbringe und versuche, Dinge positiv zu beeinflussen. Kurz gesagt: Das Ehrenamt ist der Grundpfeiler unserer Demokratie.
Oliver Knake: Die Handwerkskammer ist eine wichtige Institution, die in den letzten Jahren gewachsen ist. Die Selbstverwaltung, wie sie in der Handwerkskammer stattfindet, ist einzigartig, denn in der Wirtschaft gibt es sie nicht. Die Hauptaufgabe der Kammer ist es, die Ausbildung zu organisieren. Daher ist es gut, dass sich Auszubildende und Betriebe über das Ehrenamt mit in die Organisation einbringen können.
Das Ehrenamt ist der Grundpfeiler der Demokratie.
- Thomas Hinze
Wie war Ihr Weg ins Ehrenamt und warum engagieren Sie sich in der Vollversammlung der Handwerkskammer Hannover?
Thomas Hinze: Ich bin da so reingeboren. (lacht) Ich komme aus einer Handwerkerfamilie und mein Vater hat mich schon früh mitgenommen, sodass ich damals schon gemerkt habe, dass man Dinge verändern kann und auch einen positiven Zugang zu den ganzen Themen rund ums Handwerk bekommt. Angefangen habe ich dann in der Innung und bin mittlerweile in der Innung, der Kreishandwerkerschaft, der Vollversammlung und im Vorstand vertreten.
Oliver Knake: Da bin ich eigentlich eher hineingerutscht. Vom Gewerkschaftssekretär wurde ich damals gefragt, ob ich mir eine ehrenamtliche Tätigkeit vorstellen könnte. Ich war jung und hatte noch keinerlei Vorstellung, was mich bei dieser Aufgabe erwarten würde. Noch dazu komme ich vom Land, sodass auch die Großstadt und all die Abläufe dort für mich ein Abenteuer waren. Um mir einen Überblick über das Ehrenamt zu verschaffen gab es also ein Treffen zwischen dem Gewerkschaftssekretär, meinem Vorgänger und mir. Da man auch als Betrieb im Berufsalltag wenig bis gar nichts vom Ehrenamt im Handwerk mitbekommt, wäre ich natürlich so nie aktiv auf die Idee gekommen, ehrenamtlich tätig zu werden. Im Übrigen sind auch die Aufgaben einer Handwerkskammer nicht jedem Handwerksbetrieb hinreichend bekannt, denn auch im Politikunterricht in der Schule finden solche Themen keine Erwähnung.
Wie hat sich Ihre Ehrenamtsarbeit in den letzten...
... 26 Jahren verändert?
Thomas Hinze: Früher wurde sich tatsächlich mehr mit den Kernthemen des Ehrenamts und des Handwerks beschäftigt, wie zum Beispiel den Mitgliedern und deren Bedarfen. Heutzutage nimmt das Drumherum viel mehr Raum ein, das heißt die Bürokratie. Dadurch bleibt weniger Raum für Aufgaben, die das Ehrenamt eigentlich ausmachen. Ich bin auch dafür, dass junge Menschen ein soziales Jahr machen müssen. Dadurch lernt man, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Auch bei der eigenen Persönlichkeitsentwicklung wäre ein soziales Jahr für die Jugendlichen von heute sehr hilfreich, da sie ja ziemlich früh mit der Schule fertig werden und es gleichzeitig sehr viele Berufsmöglichkeiten gibt. Ein soziales Jahr würde da bei der Berufsorientierung helfen.
... 20 Jahren verändert?
Oliver Knake: Die Sachverhalte, mit denen man sich im Ehrenamt im Handwerk auseinandersetzt sind wesentlich komplexer geworden. Zunächst war ich ja nur in der Vollversammlung vertreten, mittlerweile auch im Vorstand, da kommen einige anspruchsvolle und vielfältige Themen zusammen, in die man sich erst einmal einarbeiten muss. Das fällt mit zunehmendem Alter natürlich auch nicht leichter. Zudem sind die Prozesse digitalisierter als früher. Das macht es für die Verwaltung natürlich um einiges effizienter. Ich persönlich dagegen bin eher ein Freund von Unterlagen in Papierform, wodurch meine Tätigkeit für mich eher schwieriger geworden ist.
Würden Sie sagen, das Ehrenamt hat an Bedeutung dazugewonnen? Wenn ja, warum?
Thomas Hinze: Ja, ich denke schon, dass das Ehrenamt heutzutage eine besondere Bedeutung hat, denn selten war es so wichtig, dass man sich engagiert, wie heute, wenn man sich anschaut, was sonst noch in der Welt so los ist.
Oliver Knake: Das Ehrenamt hat auf jeden Fall an Bedeutung dazugewonnen, auch weil immer weniger Menschen eine ehrenamtliche Tätigkeit übernehmen möchten. Davon sind dann natürlich auch die Strukturen innerhalb des Ehrenamtes abhängig. Gleichzeitig ist der gesellschaftlich anerkannte Status eines Ehrenamts niedriger als früher, obwohl es eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft ist, die auch immer wichtiger wird. Viele Aufgaben aus dem Hauptamt sind zudem auf das Ehrenamt übergegangen. Viele Menschen haben dann neben ihrer eigentlichen Arbeit keine Lust, noch zusätzliche Zeit für ein Ehrenamt aufzuwenden und sehen auch keinen Anreiz, das zu tun.
Wie hat sich das Handwerk über die Jahre verändert?
Thomas Hinze: Das Handwerk hat heute zwar auch noch einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert, aber niemand möchte es mehr machen. Die Anerkennung von außen ist zwar da, allerdings muss die Wertigkeit und auch der Stolz, den man als Handwerkerin oder Handwerker empfindet, weiter nach außen getragen werden. Das würde das Handwerk wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen bringen. Aus akademischen Familien denkt in der Regel selten jemand daran, ins Handwerk zu gehen, obwohl das Handwerk ein sehr erfüllender Berufszweig ist. Man sieht tagtäglich womit man fertig geworden ist, was in einem Bürojob ja eher weniger so plakativ zu sehen ist. Es hat sich durchaus auch schon viel zum Positiven verändert, auch durch die Handwerkskammer, die viele Angebote in den Schulen anbietet und so das Bewusstsein für das Handwerk stärkt. Letztendlich muss die Wertigkeit des Handwerks wieder mehr in die Köpfe gebracht werden.
Oliver Knake: Vor allem technisch hat sich viel verändert. Im Handwerk läuft heutzutage vieles computergesteuert. Zwar wird die körperliche Arbeit dadurch für Mitarbeitende leichter, aber die Aufgaben sind anspruchsvoller. Es werden höhere Anforderungen an die Mitarbeitenden gestellt, mit denen man auch umgehen können muss. Letztendlich ist das Handwerk zu einem modernen Berufszweig geworden, der mehr Know-how über das eigentliche Handwerk hinaus abverlangt. Deswegen haben Betriebe auch immer höhere Ansprüche an den Nachwuchs, denn auch im Handwerk werden am liebsten Abiturienten eingestellt. Nichtsdestotrotz kommt es auch immer auf den Bereich an, in dem man arbeitet. Die Erforderlichkeit bestimmter Kompetenzen teilt sich auf bestimmte Bereiche auf. Aufgaben, in denen Wissen über die Materialbeschaffenheit gefordert ist, lassen sich weniger mit Computersteuerung als mit dem eigenen Erfahrungsschatz aus langjährigen Berufsjahren lösen. Dann wiederum gibt es Bereiche, in denen nur eine Maschine bedient oder lediglich das Produkt aufgebaut werden muss. Dass man alle Arbeitsschritte von Anfang bis Ende im Detail können muss, ist ja heutzutage eher die Seltenheit.
Was dann noch hinzu kommt sind soziale Kompetenzen. Wenn ich Kundenumgang pflege, muss ich wissen, wie ich mich zu verhalten habe. Im Handwerk ist der Kundenkontakt im Vergleich zur Industrie noch viel intensiver.
Das Handwerk ist ein moderner Berufszweig geworden, der mehr Know-how über das eigentliche Handwerk hinaus abverlangt.
- Oliver Knake
Was ist aktuell im Handwerk und im Ehrenamt besonders wichtig?
Thomas Hinze: Die Gesellschaft muss wieder mehr motiviert werden, mitzumachen und mitzugestalten. Meiner Erfahrung nach führen Ehrenamtsträger ihre Tätigkeit auch gerne aus, weil es Befriedigung und Anerkennung mit sich bringt, wenn man sieht, dass man etwas erreichen kann. Diese Anerkennung sollte auch wieder mehr von außen kommen.
Oliver Knake: Im Handwerk ist es aktuell sehr wichtig, dass die Menschen noch genug Geld haben, um sich eine Handwerksleistung überhaupt noch leisten zu können. So wie mein Gewerk, der Metallbau, abhängig von der Industrie ist, ist das Handwerk von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Die Konsequenz aus fehlendem Nachwuchs sind fehlende Fachkräfte und die Preise steigen während die Nachfrage weiterhin erhalten bleibt. Auch politische Entscheidungen beeinflussen das Handwerk: Gibt es keine Meisterpflicht mehr, geht auch der Qualitätsanspruch verloren. Das wiederum führt zu Unzufriedenheit bei den Kunden.
Genauso ist es für das Ehrenamt wichtig, weiterhin Menschen zu finden, die sich dieses Amtes annehmen wollen. Schon jetzt ist es schwierig, die Bänke bei einer Vollversammlung voll zu bekommen. Ich würde mir außerdem wünschen, wenn die Vollversammlung paritätisch besetzt wäre, also zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitnehmerseite und zur anderen Hälfte mit Vertretern der Arbeitgeberseite. Das ist zugunsten der Arbeitgeberseite im Moment noch nicht der Fall.
Was wünschen Sie sich für das Ehrenamt im Handwerk?
Thomas Hinze: Für das Ehrenamt wünsche ich mir, dass die Politik dem Ehrenamt 365 Tage im Jahr Aufmerksamkeit schenkt und nicht nur in den letzten vier Wochen vor der Wahl. Ich wünsche mir, dass die Politik das Ehrenamt und das Handwerk sieht, denn gerade im Handwerk ist das Ehrenamt tief verwurzelt, vielleicht sogar mehr als in anderen Berufen.
Oliver Knake: Für das Ehrenamt im Handwerk wünsche ich mir, dass es irgendwie weitergeht und die Anerkennung auch in der Gesellschaft entsprechend ausfällt. Gerade als Arbeitnehmer ist es schwierig, den Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass man an ehrenamtlichen Sitzungen, die unter der Woche zur Arbeitszeit stattfinden, teilnehmen möchte. Und auch die Gesellschaft bringt dem Ehrenamt nicht genug Anerkennung entgegen, vermutlich aus Unwissenheit. Weniger Hürden wären für Ehrenämter im Allgemeinen, sei es im Handwerk oder in der Feuerwehr, wünschenswert, denn die Gesellschaft lebt vom Ehrenamt.