Neele Storost hat auf der Walz bei der Sanierungs des Daches des Bamberger Schlosses mitgeholfen.
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Neele Storost hat auf der Walz bei der Sanierungs des Daches des Bamberger Schlosses mitgeholfen.

Auf der Walz„Es ist alles anders, als man es sich vorstellt!“

Hannover.- (see) Das Gefühl, das Neele Storost verspürte, als sie im April 2022 zur traditionellen Wanderschaft im Handwerk aufbrach, wird sie nie vergessen: „Man ist auf einmal frei, verspürt keinen gesellschaftlichen Druck mehr.“ Die nächsten drei Jahre lagen ohne konkreten Plan und Struktur vor ihr. Das, unter Wandergesellinnen und Gesellen geflügelte Wort „Wer Pläne macht, wird ausgelacht!“ bewahrheitete sich. „Es kommt immer anders, als man denkt“, lacht die Zimmerin.

Diese Erfahrung hatte Neele Storost aber auch schon vorher gemacht. Sie studierte zunächst Geowissenschaften, auch weil es auf dem Gymnasium „immer nur um´s studieren ging“. Erst als sie bei den Pfadfindern einen Wandergesellen kennenlernte und mit ihm zusammen eine Holzterrasse baute, war ihr klar: „Das will ich lieber machen.“ So sattelte sie um, suchte sich eine Ausbildung als Zimmerin und hatte dabei immer im Hinterkopf, dass sie als Gesellin ebenfalls auf die Walz gehen wollte.

Aber wie geht man so ein Vorhaben an?

„Zunächst sollte man sich umfassend informieren, und zwar nicht nur im Internet, sondern am besten auf den Treffen der einzelnen Schächte. Das sind Vereinigungen von Gesellinnen und Gesellen, die auf Wanderschaft waren oder sind“, so Storost. Sie habe es sich zwar vorher gut überlegt, ob die Wanderschaft etwas für sie sei. Aber so richtig alles erfahren, was man wissen muss, habe sie erst von ihrem Exportgesellen bzw. Altgesellen, der sie in den ersten Monaten begleitete. „Das ist quasi wie eine Probezeit“, lacht Storost.

Wenn man die überstanden hat, wird der Wandergeselle bzw. Wandergesellin immer noch traditionsgemäß mit einem Ohrring auf die Wanderschaft und ihre Regeln „festgenagelt“ und kann ab dann auch auf sich allein gestellt reisen. Von dem einen auf den anderen Tag übernimmt man ganz allein die Verantwortung für sich selbst. Aber auch für die nachfolgenden Wandergesellen. „Denn wenn wir uns nicht angemessen benehmen, dann finden die, die nach uns auf Wanderschaft sind, weder Arbeit noch Unterkunft“, ist sich die 27-Jährige bewusst.

Der Weg ist das Ziel bei den Wandergesellinnen auf der Walz.
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Der Weg ist das Ziel bei den Wandergesellinnen auf der Walz.

Auf der Walz reist man zu Fuß, per Anhalter oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn man kostenfrei mitfahren darf.
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Auf der Walz reist man zu Fuß, per Anhalter oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn man kostenfrei mitfahren darf.

„Man wird sich selbst der beste Freund.“   

Unterwegs war die Zimmerergesellin in ganz Deutschland, in Europa und Neuseeland. Neben den unendlich vielen fachlichen Besonderheiten, die man neu lernt, entwickelt man sich auch persönlich weiter. „Man wird sich selbst der beste Freund, weil man viel alleine unterwegs ist. Auf der anderen Seite lernt man auf Menschen zuzugehen, den persönlichen Kontakt zu suchen, um nach dem Weg, einer Arbeit oder Unterkunft zu fragen“, erinnert sich Storost. Denn Wandergesellen müssen ohne moderne Kommunikationsmittel wie dem Handy klarkommen.

Aufgeschlossen, neugierig und abenteuerlustig war sie sicherlich bereits vorher, aber die Jahre auf der Walz haben sie selbstbewusster in ihrem Handwerk gemacht. Sie wisse nun besser, was sie alles könne und würde das nicht nur auf der Baustelle, sondern beispielsweise auch in Gehaltsverhandlungen selbstsicherer einbringen können.  

Nach Hause kommen ist ein großes Fest

Aber durchaus mit der Schwierigkeit verbunden wieder ins „normale Leben“ hineinzufinden. Daheimgebliebene und Wandergesellen aus allen Richtungen kommen zum Heimatort und empfangen die Rückkehrerin. Auch wenn es unter Wandergesellinnen und Wandergesellen heißt, man brauche, um wieder anzukommen, genauso lange wie man unterwegs war, weiß Storost schon bald nach der Rückkehr, dass sie ab September im einem Dachsanierungsbetrieb in Bamberg arbeiten will. Hier ist sie ganz am Anfang ihrer Wanderschaft gewesen und hat am Bamberger Schloss mitgearbeitet das Schieferdach zu erneuern.

Nach drei Jahren auf Wanderschaft wird sie ihr erweitertes fachliches Wissen selbstbewusst einbringen können und ihren Weg im Zimmererhandwerk weitergehen – fest verwurzelt in einer Tradition, die ihr neue Perspektiven eröffnet hat. (04.08.2025)



Regeln für die Walz

  • Wanderschaft dauert minimal drei Jahre und ein Tag.
  • Die Gesellinnen und Gesellen müssen ledig und kinderlos sein, dürfen keine Schulden haben und müssen die Gesellenprüfung ihres Handwerks bestanden haben.
  • Sie reisen in traditioneller Kluft, dürfen kein Handy oder andere elektronische Geräte mit Internetzugang besitzen.
  • Dürfen sich ihrem Heimatort nicht bis zu einer bestimmten Bannmeile (oft 50 km) nähern.
  • In der Regel dürfen sie nicht älter als 30 Jahre sein.
  • Die Wandergesellen reisen zu Fuß, per Anhalter oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn sie kostenfrei mitfahren dürfen.
  • Die Gesellen erhalten in der Regel kostenfreie Unterkunft und Verpflegung bei Handwerkern oder anderen Institutionen.